Der Kopf will Spaß: Lerntipps von der Hirnforschung

Gehirngerechtes_LernenNa, wie war’s heute in der Schule? Ihr wisst nicht mehr so genau, worum es ging? Das ist ärgerlich, aber nicht ungewöhnlich. Denn von den vielen Informationen, die täglich auf das Gehirn einströmen, kann es sich nur einen Bruchteil merken. Aber ihr könnt ihm beibringen, den „richtigen“ Teil zu speichern.

Eigentlich lernt das Gehirn gerne. Das kennt ihr von eurem Lieblingscomputerspiel oder einer spannenden Serie: Euer Kopf saugt die Information förmlich auf, ihr wollt gar nicht mehr aufhören. Weil ihr diese Infos wichtig findet. Und je mehr ihr euch damit beschäftigt, desto mehr wisst ihr darüber und desto besser werdet ihr – spielend einfach. Dieses Prinzip könnt ihr auf das Lernen anderer Inhalte übertragen.

1. Erhöht eure Motivation: Welche Zukunft spornt euch an?

Eure Vorlieben entscheiden darüber, was euer Gehirn abspeichert. Und die Vorlieben werden im limbischen System verhandelt, das so etwas wie die emotionale Machtzentrale im Kopf darstellt. Vergibt das limbische System das Gütesiegel „wichtig“, dann wird Lernen zu einer guten Erfahrung. Ihr müsst also erst einmal festlegen, wofür ihr den Stoff später brauchen könnt, den ihr lernen sollt. Träumt ihr von Anerkennung in Form von Applaus? Oder freut ihr euch schon heute auf euren späteren Ferrari? Vielleicht möchtet ihr einmal eine beliebte Abteilungsleitung werden, die aus allen Mitarbeitern das Beste rausholt? Oder wollt ihr jedes Jahr drei Monate durch die Welt reisen? Egal, welche Zukunftsvision euch antreibt: In allen Fällen müsst ihr einen entsprechenden Beruf ausüben, der euch dieses Leben ermöglicht. Und um diesen Beruf zu ergreifen, braucht ihr entsprechende Noten und einen Abschluss. Nehmt euch regelmäßig Zeit für einen Tagtraum, in dem ihr euch ausführlich vorstellt, wie ihr euer Ziel bereits erreicht habt. Dann wisst ihr, wofür ihr lernt.

2. Nehmt euch und eure Ziele wichtig: Der Weg ist das Ziel

Vielleicht findet ihr die Stunde über Elektromagnetismus gerade nicht so spannend. Ihr braucht dieses Wissen aber für die Umsetzung eurer Vision. Nehmt den Stoff also wichtig, denn er ist die Basis, um spätere Informationen überhaupt einordnen zu können. Gebt den Inhalten eine Bedeutung – bedeutende Dinge merkt man sich besser. Denn Bedeutung weckt Gefühle, und die aktivieren den Hippocampus, die zentrale Schaltstation eures limbischen Systems. Das wirkt wie ein Schlüssel für das „Tor zum Gedächtnis“.

3. Lernt in Wellen: Die richtigen Reize fürs Langzeitgedächtnis

Das Kurzzeitgedächtnis funktioniert über den ständigen Austausch von elektrischen Impulsen über die Neuronen. Seine Kapazität ist jedoch begrenzt, irgendwann wird der Gedächtnisinhalt überschrieben, wenn ähnliche Informationen aufgenommen werden sollen. Das Langzeitgedächtnis dagegen ist eher ein struktureller Speicher. Damit es langfristig Erlebnisse oder Fakten speichern kann, müssen Umbauten im Gehirn erfolgen. Und das funktioniert so: Nach dem elektrischen Reiz starten molekulare Prozesse in den Neuronen, die zur Synthese bestimmter Proteine führen, die schließlich den langsamen Umbau der Synapsen bewirken – der vollständige Umbau dauert mindestens 24 Stunden, in der Regel mehrere Tage. Der wichtigste Lerntipp, um den Umbau der Synapsen zu fördern, ist das ständige Wiederholen wichtiger Inhalte. Aber nicht möglichst viel in möglichst kurzer Zeit! Weil der Synapsenumbau wohl in Stufen abläuft, ist es besser, nach einer Lektion erst mal eine Weile spazieren oder ins Kino zu gehen, bevor ihr weiterlernt. Danach könnt ihr mit frischem Schwung die neue Umbauwelle nutzen.

4. Unterstützt den Synapsenumbau: Gut schlafen und essen

Damit der Synapsenumbau überhaupt vonstatten gehen kann, benötigt der Körper Dopamin, das für die Bildung der Proteine verantwortlich ist. Menschen, die an einem Dopaminmangel leiden, sind vergesslicher und können sich weniger merken als andere. Gut für euren Lernerfolg ist also alles, was den Ausstoß von Dopamin fördert: ausreichend Schlaf, Bewegung und eiweißreiche Kost (Nüsse, Fisch, Omega-3-Fettsäuren). Ganz abgesehen vom Lernerfolg macht Dopamin ja auch glücklich. Apropos Schlaf: Im Tiefschlaf werden tagsüber angelegte Gedächtnisinhalte vom Hippocampus in die Großhirnrinde übertragen. Deshalb solltet ihr euren Tiefschlaf auch nicht durch Alkohol oder Koffein stören.

5. Die „Fünf-Schritt-Methode“: Noch mehr Dopamin dank Aha-Effekt

An größere Mengen neuen Lernstoffs geht ihr am besten so dran:

  1. Überblick verschaffen durch Lesen von Inhaltsverzeichnis und Überschriften
  2. Zusammenfassung lesen
  3. Schreibt euch Fragen auf, die euch zum Thema interessieren
  4. Lest erst jetzt den ganzen Text aufmerksam
  5. Wiederholt das Gelesene in Stichworten und beantwortet dabei eure Fragen von Punkt 3

Auf diese Weise definiert ihr den Lernstoff als Problem und sucht nach einer Lösung. Wenn ihr die selbst gefunden habt, kommt der Aha-Effekt, Dopamin wird ausgestoßen und das Gelernte kann bestens vom Langzeitgedächtnis übernommen werden.

6. Werdet kreativ und sozial: Drüber reden verstärkt

Immer nur allein vor sich hin lernen kann trostlos sein. Wer sich einen komplizierten Stoff ein für alle Mal merken will, der sollte ihn anderen erklären. „Wer lehrt, lernt selbst“, sagt Neurobiologe und Lernforscher Prof. Manfred Spitzer. Der Grund: Wenn ihr miteinander sprecht, sendet und empfangt ihr permanent Gefühle, und die wirken wie ein Verstärker. Sie signalisieren eurem Gehirn, dass etwas wichtig ist und gespeichert werden sollte. Wichtig dabei sind Mimik, Stimmlage und Gestik, weil sie den Gefühlen Ausdruck verleihen. Deshalb ist Chatten weniger wirksam. Studien haben gezeigt, dass sich Menschen im Nachhinein besser an einen Film erinnern, wenn sie über ihn reden, als wenn sie über ihn chatten.

7. Bezieht den Körper mit ein: Bewegung unterstützt

Beim Treiben von Ausdauersport wachsen Nervenzellen im Hippocampus nach. Außerdem wird beim Sport vermehrt Tryptophan aus dem Blut ins Gehirn transportiert und dort in Serotonin umgewandelt, was wiederum eure Stimmung hebt und damit eure Leistungsfähigkeit steigert. Aber körperliche Bewegung kann auch den Lerneffekt verbessern: Wenn ihr einen abstrakten Zusammenhang mit einer dazu passenden körperlichen Bewegung verknüpft, sorgt ihr dafür, dass dieser sich im Gehirn besser festsetzt. Betrachtet ihr nur ein Bild von einem Gegenstand, wird er sich euch weniger gut einprägen als wenn ihr ihn anfasst und betastet. Deshalb ist es auch beim Lernen gut, euren Körper einzusetzen, um etwas leichter zu begreifen und zu verinnerlichen. Zu diesem Punkt gehört auch das Aufschreiben von Informationen. Das funktioniert aber nur handschriftlich. Per Copy-and-paste einfach Inhalte aus Wikipedia kopieren und irgendwo einfügen birgt so gut wie keinen Lerneffekt.

8. Trainiert eure Selbstdisziplin: Durchhaltevermögen verhilft zu mehr Erfolg

Warum schon drei Wochen vor der Prüfung täglich vier Stunden lernen, wenn es auch mit täglich zehn Stunden in der letzten Woche klappt? Weil ihr dann erstens nicht die unterschiedlichen Phasen nutzt, die euer Langzeitgedächtnis benötigt (siehe Punkt 3). Und weil ihr es zweitens versäumt, die Verknüpfungen zwischen Frontallappen – der unter anderem für längerfristige Planungen zuständig ist – und anderen Gehirnregionen zu bilden. Diese Verknüpfungen sind aber die Basis für Durchhaltevermögen und Selbstdisziplin. Und wer die hat, tut sich leichter, die gesteckten Ziele zu erreichen. Wer sie nicht hat, wird immer nur das tun, was gerade am wichtigsten ist. „Die Bergspitze wird er nicht erreichen, weil ihm das Klettern 200 Meter vorher zu stressig wird“, sagt Manfred Spitzer. Da hilft nur eins: Rechtzeitig einen Lernplan aufstellen und anfangen.