Schon wieder zu spät angefangen mit dem Lernen? Grundsätzlich bocklos? Oder die Prüfung trotz Pauken vergeigt? Lerncoach Oliver Mewald wurde vom Fraunhofer-Nachwuchsportal myTalent gefragt, wie Lernen mehr Spaß macht, welche Fehler ihr vermeiden und wie ihr euch besser fokussieren könnt.
Fangen wir mit dem Klassiker an: Ich stelle fest, dass ich mit der Prüfungsvorbereitung zu spät angefangen habe und das Lernpensum gar nicht mehr schaffen kann. Was jetzt?
Oliver Mewald: Auf keinen Fall ohne Pause und ohne Schlaf durchlernen. Du kannst einen Schwerpunkt setzen. Es gibt meistens ein zentrales Thema, das am ausführlichsten behandelt wurde, zu dem die meisten Übungen gemacht wurden und das die größten Kapitel im Buch behandeln. Auf dieses Thema kannst du dich fokussieren und das dann richtig lernen.
Wenn mir aber vor der Stoffmenge schon so graut, dass ich mich gar nicht hinsetzen mag?
Hier hilft nur, den Stoff aufzuteilen, also nicht den ganzen Berg auf einmal erklimmen zu wollen, sondern in Etappen hochzugehen. Und für eine gute Balance zu sorgen zwischen Lern- und Erholungszeiten, indem man Pausen einplant, in denen man Spaß hat.
Zum Beispiel mit Computerspielen?
Ein Computerspiel ist für unser Gehirn ziemlich kompliziert, dabei braucht es viel Energie. Das Gehirn ist aber das zentrale Organ, mit dem wir lernen. Besser ist es, ihm in den Pausen Erholung zu gönnen, damit es Energie zurückgewinnen kann. Das funktioniert mit ein bisschen Bewegung oder moderatem Sport wie Laufen, aber auch mit einem Spaziergang an der frischen Luft. Auch etwas trinken, Schreibtisch aufräumen oder Wäsche waschen ist gut – alles, wobei Körperkoordination gefragt ist.
Nach welcher Zeit soll ich so eine Pause einlegen?
Nach maximal einer Stunde. Und je länger man lernt, desto länger sollten auch die Pausen sein.
Aber dann komme ich ja überhaupt nicht voran, wenn ich ständig Pausen mache …
Wenn du in den Lernzeiten mit voller Konzentration arbeitest, kommst du sogar umso besser voran.
Wie kann ich meine Konzentration fördern?
Konzentration hängt nicht allein vom Willen ab, sie ist eher Übungssache. Wenn ich ständig mit mehreren Dingen gleichzeitig beschäftigt bin, also neben dem Kochen beispielsweise telefoniere und eine Sprachnachricht in mein Handy tippe, dann konzentriere ich mich auf keine dieser Tätigkeiten wirklich. Wenn ich es aber nie schaffe, mich auf eine Aktion zu fokussieren, dann wird mir das beim Lernen auch nicht gelingen. Es ist wichtig zu üben, nur eine Sache zu machen. Und anzuschauen, was sonst noch am Konzentrieren hindert. Vielleicht fehlende Motivation, Frustrationen, Schlafmangel, falsche Ernährung …
Apropos Motivation: Wie kann ich mit mehr Lust lernen?
Da würde ich bei den Rahmenbedingungen anfangen und mir einen guten Lernort suchen. Du kannst dein Buch einpacken und auf einer schönen Wiese lernen. Neuere Studien sagen, dass unser Gehirn das Gelernte in Bewegung noch besser verarbeitet. Du könntest also beim Spazierengehen Vokabeln lernen, oder zum Park radeln und auf einer Bank lesen. Was die meisten auch motiviert, sind Lerngruppen mit festen Terminen. Daneben kannst du unterschiedliche Lernmethoden ausprobieren, also Formeln und Regeln auch mal per Mindmapping erarbeiten, über Lernkarten und Post-its wiederholen oder dir auf den mp3-Player aufsprechen und unterwegs hören.
Heilt die Aussicht auf mehr Abwechslung auch meine chronische Aufschieberei?
Gut möglich. Wenn du jedoch dauerhaft etwas verändern möchtest, musst du erst erkennen, wie du tickst. Das funktioniert mit einem Aufschiebe-Tagebuch, in dem du notierst, in welchen Fächern oder bei welchen Tätigkeiten du aufschiebst, welche Taktik du anwendest, von was du dich ablenken lässt … Darauf kannst du reagieren und dir andere Strategien überlegen, etwa indem du über Routinen lernst.
Routinen? Klingt erst mal nicht so spannend …
Dafür bringt es aber enorm viel. Über Routinen zu lernen heißt, die Macht der Gewohnheit positiv zu nutzen. Wenn du dir jede Woche bestimmte Zeiten setzt, in denen du immer lernst, dann muss sich dein Gehirn nicht mehr entscheiden, ob du anfängst oder aufschiebst – so wird es entlastet. Dafür solltest du herausfinden, welche Tageszeit für dich passt, vor allem nachmittags. Der Vormittag ist grundsätzlich eine gute Zeit zum Lernen, gegen 10 Uhr haben die meisten ein Konzentrations-Hoch. Nachmittags ist das anders. Manche lernen gut um drei, anderen tun sich dann schwer. Anstatt dich zu zwingen, immer um drei zu lernen und danach Freizeit zu haben, kannst du testen: Lernst du vielleicht um 17 Uhr besser? Oder um 19 Uhr? Notiere dafür eine Weile lang, wann du lernst, wie du dich dabei fühlst und was du dabei denkst. Wenn da drei- oder viermal zu einer bestimmten Zeit steht, dass du dich gut und wach fühlst und etwas aufnehmen kannst, dann ist das eine gute Lernzeit für dich.
Angenommen, ich habe meine optimale Lernzeit herausgefunden: Wie wird daraus ein Plan?
Du schaust erst mal, wie viel Lernzeit dir prinzipiell zur Verfügung steht, ohne dass du an einem Tag sieben Stunden lernen musst. Dann nimmst du den zu lernenden Stoff und verteilst ihn auf diese Lernzeit, um zum Schluss, nach verschiedenen Übungen und Wiederholungen, in die Testphase zu gehen, also alte Prüfungen auf Zeit zu machen. Oft wird nämlich der Zeitdruck in der Prüfungssituation unterschätzt, und das macht dann nervös. Danach lernst du das, was im Test nicht gut lief, noch mal intensiver. Am Tag vor der Prüfung wiederholst du nur noch ein bisschen und entspannst ansonsten.
Was sind die häufigsten Fehler beim Lernen?
Zu wenige Wiederholungen. Manche denken, wenn sie etwas gelesen haben, bleibt es hängen – das steckt aber nur im Kurzzeitgedächtnis. Deshalb teste an verschiedenen Tagen, etwa über Lernkarten, ob es tatsächlich immer noch sitzt. Manche lernen auch zu viel in zu kurzer Zeit. Man muss bedenken, dass unser Gehirn Zeit braucht, um Informationen zu verarbeiten und zu festigen. Und viele lernen immer noch in Form von pauken, also lesen, lesen, lesen … aber es ist wesentlich cleverer, Lernmethoden wie Lückentexte, alte Prüfungen, Mindmaps, Lernkarten etc. anzuwenden.
Was ist eigentlich besser: Auf dem Laptop mitschreiben oder handschriftlich?
Wichtiger ist, das Mitgeschriebene in eine Form zu bringen, die für mein Gehirn gut zu lernen ist. Am besten über ein Mindmap, da kann ich mit Ordnung, Übersicht, in Bildern, mit Farben etc. arbeiten.
Wann lohnt es sich, mal ein paar Einheiten bei einem Lerncoach zu buchen?
Lernverhalten ist sehr vielschichtig. Die einen sind unheimlich nervös, haben Prüfungsangst, anderen fehlen verschiedene Lernmethoden, bei den dritten gibt es Druck in der Familie. Ich würde Unterstützung beim Coach suchen, wenn du es nicht schaffst, deine eigenen Erwartungen zu erfüllen. Wenn du nach deinem Gefühl gut gelernt und alles aus eigener Kraft getan, dein Ziel aber nicht erreicht hast. Oder wenn du es einfach nicht schaffst, aus eigener Kraft aktiv zu werden, also immer wieder verschiebst, gar nicht anfängst, dich aufgegeben oder keine Motivation hast. Dann hilft dir ein Lerncoach dabei, die Ursachen zu ergründen, damit du dein Potenzial auch ausschöpfen kannst.
Dieses Interview erschien auf der myTalent-Portal der Fraunhofer-Gesellschaft.