Familiencoaching: Beziehungskompetenz

Können Respekt, Authentizität und Verantwortung Beziehungsqualität voraussagen?

Zusammenfassung der Studie von Ueli Niederberger, durchgeführt im Frühling 2013 in Giswil, mit der Unterstützung der Universität von Kristianstad, Schweden

 

Theoretischer Hintergrund

Positive nahe Beziehungen werden als einer der wichtigsten Schutzfaktoren in der Entwicklung des Menschen angesehen. Wer positive nahe Beziehungen erleben darf, leidet in kleinerem Ausmass an psychischen Krankheiten, physischen Krankheiten und lebt länger. Ausserdem sind gute nahe Beziehungen mit höherem Wohlbefinden etc. verbunden. In der Schulforschung wurde auch immer wieder gezeigt, dass eine positive Beziehung zwischen Schülerinnen und Schülern und deren Lehrpersonen von entscheidender Bedeutung ist. In Partnerschaften, Familien und Schulen stellt sich deshalb die Frage, ob es Kompetenzen gibt, die der Entwicklung und Aufrechterhaltung positiver naher Beziehungen förderlich sind.

Der dänische Familientherapeut und Schriftstellter Jesper Juul meint, dass es solche Kompetenzen gibt und beschreibt Beziehungskompetenz als eine lose Ansammlung von beziehungsrelevanten Werten und Einstellungen. Er meint, dass es nicht in erster Linie Fähigkeiten oder Eigenschaften sind, die positiven nahen Beziehungen zugrunde liegen, sondern Einstellungen und Werte sich selbst und anderen gegenüber. Unter anderem identifiziert er Respekt für das Gegenüber, Authentizität und Verantwortungsbewusstsein für die Beziehung als Bestandteile von Beziehungskompetenz.

Respekt für das Gegenüber bedeutet, dass man sich für die Gefühle, Gedanken und Absichten des Gegenübers interessiert, sie ernst nimmt und in sein Leben einfliessen lässt (anstatt sie zu ignorieren, abzuwerten oder für nichtig zu erklären). Authentizität wird definiert als die Bereitschaft, sein eigenes Innenleben (Gefühle, Gedanken, Absichten…) aufrichtig und authentisch dem Gegenüber zu offenbaren, anstatt sich hinter sozialen Rollen, Floskeln oder Rationalisierungen zu verbergen. Verantwortungsbewusstsein für die Beziehung beinhaltet zwei Aspekte: zum einen das Bewusstsein, dass das eigene Verhalten genauso entscheidend ist für die Qualität der Beziehung wie das Verhalten des Gegenübers (das heisst, dass man bei Problemen davon absieht, das Gegenüber alleinig verantwortlich zu machen) und zum anderen die Bereitschaft, bei Problemen aktive Schritte zu unternehmen, um die Beziehung wieder zu reparieren (anstatt zu schmollen und darauf zu warten, dass das Gegenüber den ersten Schritt macht).

 

Studie

Es wurde untersucht, ob diese Annahmen mit wissenschaftlichen Methoden bestätigt werden können. Zum einen wurde analysiert, ob die drei Komponenten der Beziehungskompetenz zusammenhängen und mit der Qualität von Beziehungen assoziiert werden können. Darüber hinaus wurde untersucht, ob es möglich ist, Beziehungsqualität in nahen Beziehungen mit der Hilfe von Beziehungskompetenz vorauszusagen.

Beziehungskompetenz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Resultate

Die Resultate waren eindeutig: Die verschiedenen Komponente von Beziehungskompetenz waren mittel bis stark miteinander assoziiert und korrelierten auch deutlich mit Beziehungsqualität. Es war ausserdem möglich, einen grossen Teil der Unterschiede in der Beziehungsqualität mithilfe von Beziehungskompetenz vorauszusagen. Für die Beziehung zwischen Erwachsenen waren Authentizität und Verantwortung die besten Predikatoren, für die Beziehung zu Kindern waren es Respekt und Verantwortung.

 

Diskussion

Obwohl es sich um keine Untersuchung kausaler Zusammenhänge handelt, deuten diese Resultate darauf hin, dass eine respektvolle Einstellung anderen gegenüber, Authentizität im Austausch mit anderen und Verantwortungsbewusstsein für die Beziehung zu besseren nahen Beziehungen führen. Damit werden einige der zentralen Aussagen Jesper Juuls bestätigt und angedeutet, dass Menschen mit Schwierigkeiten, positive Beziehungen einzugehen, davon profitieren könnten, ihre Wertvorstellungen und Einstellungen sich selber und anderen gegenüber zu überdenken. Für Eltern, Partner und Lehrpersonen kann dies ein Anstoss sein, die eigenen Wertvorstellungen in nahen Beziehungen zu überdenken und sich zu überlegen, ob die Beziehung zu Partnern, Kindern und Schülerinnen und Schülern möglicherweise verbessert werden könnte.